Frischer Wind weht durch die Christuskirche

Nachricht 15. Februar 2015
2014-02-16KreiszeitungGottBaustelle
Nicht von der Kanzel, sondern von der Leiter wandten sich Pastor Timo Rucks (rechts) und Manfred Sander aus dem Organisationsteam an die Gemeinde. Foto: Kreiszeitung-Tenbrink

Auftakt zu den „Baustellen-Gottesdiensten“ in Harpstedt: Ein Pastor im Blaumann und Notiz-Zettel für die Predigt

Harpstedt - (Kreiszeitung v. 16.02.2015-Karsten Tenbrink.) Schleifen aus Absperrband an den Kirchenbänken, Pylonen auf dem Mittelgang, Leitern im Altarraum und mittendrin Pastor Timo Rucks in einem Blaumann – die Harpstedter Christuskirche bot beim gestrigen Gottesdienst ein ungewöhnliches Bild. Grund dafür war der Start eines neuen Projekts: Der „Baustellen-Gottesdienst“ feierte seine Premiere.

Es war schon bezeichnend: Das Lied „Herr der Ewigkeit“, das während der Andacht gesungen wurde, bediente sich der Melodie des „Scorpions“-Hits „Wind of Change“. Und ein frischer Wind soll auch durch die Gottesdienste der evangelischen Kirchengemeinde Harpstedt wehen. Wie berichtet, hatte das Pastorenehepaar Timo und Hanna Rucks zu diesem Experiment aufgerufen. Schnell fand sich eine Gruppe von acht Interessierten zusammen, die Ideen für einen originelleren Gottesdienst sammelten. Zum Kern dieses Kreises, der inzwischen etwa 30 Leute zählt, gehörte von Beginn an Manfred Sander. Also schlüpfte auch er gestern in einen blauen Arbeitsanzug und eröffnete zusammen mit Pastor Rucks den neuen Gottesdienst. Dafür stiegen die beiden auf Leitern, die vor dem Altar aufgestellt waren, und erklärten zunächst, was es mit dieser ungewöhnlichen Gestaltung der sonntäglichen Messe auf sich hat. Und sie baten um Rückmeldungen. Eine „Feedback-Tafel“ zu einzelnen Elementen der Veranstaltung und eine Box für individuelle Kommentare standen im Eingangsbereich dafür bereit. Außerdem lud Rucks alle Besucher nach dem Gottesdienst zum persönlichen Austausch bei einer Tasse Kaffee ein. Denn das Projekt soll seinen „Baustellen-Charakter“ behalten, mit Hilfe der Rückmeldungen und neuen Ideen weiter entwickelt werden.

Eine erste Neuerung war schon vor der Eröffnung des Gottesdienstes offenkundig: Die musikalische Gestaltung übernahm eine frisch gegründete Band. Anstelle einer Orgel erklangen Flügel, Cello, Kistentrommel und zwei Gitarren. Hinzu gesellten sich drei Chorstimmen, die Liedtexte waren ebenso wie Gebete für alle gut sichtbar auf einer Leinwand nachzulesen.

Auch für die Lesung hatte sich das Organisationsteam etwas Besonderes einfallen lassen: Die Passage aus dem Markusevangelium, in der Jesus sein Leiden, seinen Tod und seine Auferstehung erstmals vor seinen Jüngern ankündigt, wurde von zwei Gemeindemitgliedern vorgetragen – eines übernahm die Rolle des Erzählers, das andere die Aussagen von Jesus. So vermittelten sie einen lebendigen Eindruck der Situation, in der Petrus seinen Herrn davon abhalten möchte, die Prophezeiung zu erfüllen, und dieser ihn schon fast schroff zurechtweist. Er habe nicht das Göttliche im Sinn, sondern nur das Menschliche.

Mit Verweis auf diese Bibelstelle predigte Pastorin Hanna Rucks über die unterschiedliche Bewertung dessen, was wirklich wichtig ist im Leben. Und sie spannte den Bogen zum Motto des Gottesdienstes. „Unser Leben gleicht einer Baustelle“, sagte Rucks. Absperrbänder symbolisierten die Abgrenzung zu bestimmten Dingen, Leiter und Gerüste die Hilfsmittel zum Erreichen bestimmter Ziele. Entscheidend aber sei laut Rucks die Frage: „Wie soll das Bauwerk eigentlich aussehen?“ Bei allem, was sich Menschen für ihre Zukunft wünschen und darauf hinarbeiten, sollten sie sich bei diesem „Umbau“ für den richtigen „Architekten“ – nämlich Gott – entscheiden, „damit unsere Seele keinen Schaden dabei nimmt“.

Eine Besonderheit dieser Predigt war, dass Timo Rucks die Gottesdienstbesucher zuvor ermutigt hatte, sich auf bereitliegenden Zetteln Notizen zu machen. Diese Idee habe er aus seiner Zeit in England mitgebracht, obwohl es auch für ihn zugegebenermaßen anfangs auch gewöhnungsbedürftig gewesen sei.

Der Pastor zeigte sich nach dem Gottesdienst ausgesprochen zufrieden mit der Projekt-Premiere: „Super, ich bin begeistert.“ Dass die Kirche so gut besucht war, sei nicht so ungewöhnlich an einem Sonntag. „Aber ich habe heute ungewöhnlich viele neue Gesichter gesehen“, sagte Rucks.

Quelle: Kreiszeitung Online v. 16.02.2015