Besichtigung nach Neujahrsgottesdienst
Harpstedt - (Kreiszeitung 02.01.2017 - aro/boh) Die von der Firma Hemmer generalüberholte und für die nächsten 100 Jahre fit gemachte Turmuhr der Christuskirche Harpstedt haben am Sonntag zehn Interessierte nach dem Neujahrsgottesdienst begutachtet. Der etwas beschwerliche Aufstieg lohnte sich für die Gruppe. Der antike Zeitmesser aus dem Hause J.F. Weule erstrahlt in neuem Glanz.
Die einst in Bockenem im Ambergau ansässige Herstellerfirma, eine Turmuhrenfabrik mit Glockengießerei, gibt es schon seit gut 50 Jahren nicht mehr. Außer Turmuhren und Glocken produzierte und vertrieb sie früher Zifferblätter, Zentral- und Gebäudeuhren, Läutemaschinen und Glockenspiele. Die Abnehmer saßen überwiegend in Niedersachsen. Am 18. März 1953 ging das Unternehmen in Konkurs. Von den rund 140 urplötzlich erwerbslos gewordenen Mitarbeitern bekamen einige im Dezember 1954 ihre Jobs zurück. Grund: Die in Bornum beheimatete Wilhelmshütte hatte den Betrieb übernommen. Sie erweiterte das Produktsortiment um Herd- und Ofenteile. Als aber auch sie 1966 pleite ging, bedeutete dieser Konkurs zugleich das endgültige Aus für den Betrieb Weule.
Alte Uhren aus dem traditionsreichen Unternehmen, dessen Wurzeln bis ins Jahr 1836 reichen, sowie Informationen aus der Firmengeschichte trug das 1970 ins Leben gerufene Turmuhren- und Heimatmuseum Bockenem zusammen.
Interessantes zur Funktionalität der Harpstedter Kirchturmuhr berichtete Kirchenöffner Claus Lampe der Gruppe von Interessierten. „Angetrieben wird sie von drei Gewichten; das mittlere ist für die Zeitanzeige zuständig, das rechte für die Stundenschläge und das linke für die Viertelstundenschläge. Mittels Winkelgetriebe und Antriebsstange wird die Bewegung eine Etage höher getragen zu den Zifferblättern. Die Hammerschläge werden durch Seilverbindungen ausgelöst; dadurch erklingen letztendlich die Glocken.“
Immer fünf Minuten vor neun
Der vorangegangene Neujahrsgottesdienst hatte – passend zur Wiederinbetriebnahme der Uhr – das Thema Zeit beleuchtet. „Jedes Mal, wenn ich hoch zur Turmuhr schaute, war es fünf vor neun. Seit Weihnachten läuft die Uhr wieder. Wir wissen wieder, wie spät es ist“, merkte Pastorin Elisabeth Saathoff schmunzelnd an. „Nutzen wir die Zeit, die uns gegeben ist?“, hinterfragte sie und gab sich die Antwort selbst: „Ja, wir haben sie gut genutzt dank der vielen Spenden und der Heimwerkerkunst der Familie Hemmer aus Hoyerhagen. Dadurch ist die wunderschöne Kirchturmuhr wieder voll einsatzfähig und kann nach Aussage der Fachleute durchaus noch beachtliche weitere 100 Jahre laufen. Geschenkte Zeit bekommt in solch einem Moment einen ganz anderen Sinn.“
Die Geistliche verschwieg nicht, dass im heute oft hektischen Alltag der Menschen nicht viel Luft bleibe, um Ereignisse nachwirken zu lassen. Sie empfahl, sich „Zeitinseln“ zu suchen und sich darauf zu retten, wenn mal alles zu viel und der Stress zu groß werde.
Quelle: Kreiszeitung v. 02.01.2017